Mit interkulturellem Austausch zur urbanen Nachhaltigkeit in Lateinamerika und Europa

Der Deutsch-Lateinamerikanische Studiengang Betriebswirtschaft der FH Münster veranstaltete in Kollaboration mit der Akademie Franz Hitze Haus von 16.5-17.5.2024 seine jährliche Lateinamerikatagung, zu der Studierende aus Deutschland und aus lateinamerikanischen Städten sowie weitere Interessierte eingeladen waren.

Die Tagung widmete sich dem Thema Nachhaltigkeit in Städten und Gemeinden, und begann mit einer Einschätzung der Teilnehmenden: Was bedeutet urbane Nachhaltigkeit für dich? Wo liegen die Herausforderungen in deiner Heimatstadt? Erste Antworten waren trotz der Vielfalt der Heimatstädte – von Bucaramanga bis Bremerhaven – recht ähnlich: autozentrierte Städte, fehlender oder ungleich verteilter Grünraum, und Klimawandelanpassung wurden als zentrale Herausforderungen wahrgenommen. Mögliche Antworten – verbesserte Radinfrastruktur, Begrünung des öffentlichen Raums, und Konzepte wie die Schwammstadt – waren den Teilnehmenden in den Grundlagen bekannt. Doch wie genau werden sie in unterschiedlichen Städten umgesetzt? Was können wir von diesen Erfahrungen für andere Kontexte lernen? Und sind diese Antworten tiefgreifend und weitreichend genug für enkelsichere Städte?

Die Tagung beinhaltete Vorträge aus verschiedenen Perspektiven der Forschung und Zivilgesellschaft. Unter Anderem wurde das Konzept der kreislauforientierten Bioökonomie in Bolivien als Alternative zu extraktivistischen ökonomischen Modellen diskutiert; es wurden Projekte der peri-urbanen Landwirtschaft und Agroforstwirtschaft und deren Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit einkommensschwacher EinwohnerInnen vorgestellt; und der Urbanisierungsprozess in Medellín (Kolumbien) anhand der sich verändernden Beziehungen von Menschen und Natur kritisch betrachtet.

Julia Wesely wurde in diesem Rahmen eingeladen, einen Vortrag zum Thema Naturgefahrenmanagement in lateinamerikanischen Städten zu halten. Dabei bezog sie sich besonders auf Forschung in Manizales (Kolumbien) und Lima (Peru) und zeigte auf, warum integrales Naturgefahrenmanagement eine Notwendigkeit ist, um sich auf Katastrophen wie die aktuellen Überschwemmungen in Rio Grande do Sul (Brasilien) besser vorzubereiten und deren Risiken und Auswirkungen massiv zu verringern. Außerdem stellt integrales Naturgefahrenmanagement eine Möglichkeit für lokale Regierungen, zivilgesellschaftliche Akteur*innen, den privaten Sektor und andere Stakeholder*innen dar, um Transformationen zu gerechteren Städten anzustoßen. In der Diskussion mit Teilnehmenden wurde schnell deutlich, wie weitgreifend die Themen Naturgefahren und Vulnerabilität besonders in Zusammenhang mit dem Klimawandel bereits in der Alltagswahrnehmung verankert sind. Außerdem brachten die Erfahrungen aus unterschiedlichen Städten eine Reihe an kritischen Fragen zu Tage: Welche Rolle und Verantwortung hat der Staat vis-a-vis privaten Akteur*innen? Werden Nachhaltigkeit und Naturgefahrenmanagement nicht immer hintenangestellt, wenn Menschen ihre täglichen Grundbedürfnisse nach Wasser, Essen und sicherem Wohnraum nicht abdecken können? Wie können große Stadtplanungsprojekte mit jahrzehntelanger Vorlaufzeit und hohen Umweltauswirkungen an aktuelle Bedingungen angepasst und flexibler gestaltet werden?

Die Tagung endete mit einem Spaziergang zur Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) der Initiativen zu Fair Trade, lokaler und kooperativer Landwirtschaft, und Renaturierung der Aa in Münster vorstellte.

Herzlichen Dank an alle Teilnehmenden und Organisator*innen für den spannenden interkulturellen Austausch! Für die Arbeitsgruppe Urban Studies war diese Veranstaltung eine tolle Gelegenheit, wieder stärker in den Dialog mit Lateinamerika zu kommen.

 

Text und Bilder: Julia Wesely, 2024.

Foto 1 - Veranstaltungsbeginn im Franz Hitze Haus

Foto 2 - Renaturierung der Aa